Zivilschutzanlagen: Entwicklung der Schutzbauprogramme

Zivilschutzanlagen

Die Entwicklung der Schutzbauprogramme

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges bildeten die vier Besatzungsmächte die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Für die Gesetzgebung setzte dieser Alliierte Kontrollrat Proklamationen, Gesetze, Befehle und Direktiven ein. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 23 (Verbot militärischer Bauten in Deutschland) vom 10. April 1946 wurde „Planung, Entwurf, Herstellung, Errichtung oder Bau militärischer Einrichtungen jeglicher Art“ als gesetzwidrig erklärt.[1] Im Artikel 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 23 wurden auch zivile Luftschutzräume mit in die Regelung eingeschlossen. Der Unterhalt ziviler Luftschutzeinrichtungen in Deutschland war somit verboten.

Die Einigkeit der vier Besatzungsmächte währte nicht lange. Es traten Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion auf.[2] Durch den beginnenden Ost-West-Konflikt, auch als „Kalter Krieg“ bezeichnet, spitzte sich die politische Weltlage zu. Die Bundesrepublik lag dabei direkt im Spannungsfeld der Fronten, die sich zwischen den Westmächten und dem Ostblock bildeten. Die Forderung einer Vorsorge zum Schutz der Zivilbevölkerung wuchs ständig.

Die Bundesregierung entschloss sich Ende 1950, die Alliierte Hohe Kommission (AHK) zur Aufhebung des Kontrollratsgesetzes 23 zu bewegen. Im Verlauf des Jahres 1951 setzten dann die Verhandlungen zwischen den Alliierten und den Deutschen Sachverständigen ein. Die Alliierte Hohe Kommission hatte keine Einwände gegen die geplanten Maßnahmen. Aufgrund dieser Entscheidung beschloss das Bundeskabinett Ende 1951, den Bundesminister des Inneren mit den Vorkehrungen für den zivilen Luftschutz zu beauftragen.[3]

Die Bundesregierung beschloss im Juli 1955 ein vorläufiges Luftschutzprogramm, das auch als „Vorabprogramm“ bezeichnet wurde. Diese Namensgebung erfolgte aufgrund der fehlenden gesetzlichen Vorgaben.[4] Die Stadtverwaltungen wurden aufgefordert, jedes Schutzbauwerk mit einer Wandstärke von mindestens 1,10 Meter hinsichtlich der luftschutztaktischen Betrachtung, einer Kostenschätzung sowie der örtlichen Luftschutzplanung zu beurteilen. Auf diese Weise sollten die Bunker ermittelt werden, die für eine Instandsetzung geeignet waren. Die angeforderten Informationen lagen den Oberfinanzdirektionen Ende der 1950er Jahre vor.[5]

Zunächst wurde eine behelfsmäßige Herrichtung der geeigneten Luftschutzbunker durchgeführt. Die Arbeiten wurden dabei als erste Stufe einer späteren Instandsetzung betrachtet. Zielsetzung war die Möglichkeit eines kurzen Aufenthalts von bis zu 3 Stunden. Wesentliche Arbeiten waren die Reinigung des Bauwerkes, Instandsetzung der Wasser-, Elektro- und Belüftungsanlagen sowie der Einbau von Abschlusstüren.[6]

Das Instandsetzungsprogramm war das technisch aufwändigste Schutzbauprogramm des Bundes. Es wurde am 28.07.1964 durch ein Rundschreiben des damaligen Bundesschatzministers initiiert. In diesem Schreiben wurden 34 Objekte benannt, deren Instandsetzung kurzfristig erfolgen sollte. Auch der ehemalige Luftschutzbunker in der Torstenssonstraße wurde in dieser Auflistung aufgeführt.[7]

Im umfangreichen und kostspieligen Instandsetzungsprogramm wurden die Luftschutzbunker mit Eingangsbauwerken ausgestattet, die zur Reduzierung von Streustrahlung Abwinkelungen erhielten. In den Zugängen erfolgte der Einbau von Drucktüren und Schleusen. Die bisherige einfache Ausstattung musste durch Belüftungsanlagen, Sand- und Raumfilter, Kühlaggregate für Raumluft und technische Anlagen, Notstromgeneratoren, Wasserversorgung durch eigene Brunnenanlagen und Notwasservorratsbehälter, Sitz- und Liegeeinrichtungen, ärztliche Versorgungseinrichtungen sowie Küchen- und Lagerbereiche ergänzt werden. Die Menge der Verbrauchsgüter und Betriebsmittel wurde für einen autarken Zeitraum von 30 Tagen ausgelegt. Trotz der vorgesehenen Aufenthaltsdauer von 14 Tagen legte man einen Zeitraum von 30 Tagen fest, um so einer möglichen Überbelegung zu begegnen. Weiterhin wurde berücksichtigt, dass der Schutzraum nach einem Waffeneinsatz das einzige intakte Versorgungszentrum in der jeweiligen Umgebung sein wird.[8]

Diese Technik war jedoch mit sehr hohen Erstellungs- und Folgekosten verbunden. Mitte der 1960er Jahre wurde deshalb die weitere Finanzierung des Schutzraumbaues eingestellt.[9] Stand 1974 wurden lediglich 49 Objekte im Zuge des Instandsetzungsprogrammes fertiggestellt.[10] Um einen aktuellen Überblick über die im Instandsetzungsprogramm hergerichteten Zivilschutzanlagen zu erhalten, informierte sich der Vorbei e.V. durch eine schriftliche Anfrage beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK): Bundesweit wurden insgesamt nur 71 Anlagen im Rahmen des aufwändigen Instandsetzungsprogramms aktiviert.[11] Darunter befinden sich jedoch auch Zivilschutzanlagen, die zu einem späteren Zeitpunkt hergerichtet wurden, und die Anforderungen an einer instandgesetzten Anlage erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel die ehemalige GSVBw 27 in Lingen / Schepsdorf, die nach der Betriebsaufgabe in den 1990er Jahren für den Zivilschutz nachgenutzt wurde.[12]

Zurück zu den 1960er Jahren: Parallel zum „Vorabprogramm“ sorgten die Ereignisse um den Berliner Mauerbau im Jahre 1961 dafür, dass sich die Bundesregierung zur Durchführung eines „Sofortprogrammes“ entschloss. Im „Sofortprogramm“ sollten etwa 650 ausgewählte Bunker lediglich begehbar gemacht werden. Dabei wurden die Bauwerke gereinigt, mit einer Wasserversorgung und Beleuchtungsanlagen ausgestattet sowie mit gasdichten Abschlüssen versehen. So konnte ohne großen finanziellen Aufwand eine große Anzahl von Schutzraumplätzen mit einer begrenzten Aufenthaltsdauer geschaffen werden, die einen Schutz vor konventionellen Waffen und vor der Fernwirkung atomarer Waffen boten. Fast zeitgleich bot sich durch den steigenden Bedarf an Parkplätzen im Stadtraum und dem damit verbundenen Bau von Parkhäusern und Tiefgaragen an, diese Bauwerke auch als Schutzräume zu verwenden. Im „Mehrzweckanlagenprogramm“ wurden z.B. in Tiefgaragen Nebenräume vorgesehen, die die technischen Anlagen und die benötigte Schutzraum-Ausstattungen enthielten. [13]

Erst im Jahre 1977 beschloss das Bundeskabinett in einer Sitzung am 21. Dezember, dass der Bau von Schutzräumen erneut durch finanzielle Zuschüsse des Bundes gefördert werden sollte.[14] Nach den „Baufachlichen Richtlinien für die Nutzbarmachung vorhandener öffentlicher Schutzbunker – Fassung Dezember 1977“ begann die Herrichtung von Schutzräumen nach einem stark vereinfachten Programm, dem „Nutzbarmachungsprogramm 1977“[15]. Die Einschränkungen waren erheblich: Da nur noch mit Außenluft gekühlt wurde, verkürzte sich die Aufenthaltsdauer auf 10 Stunden. Sitze und Liegen waren nicht vorgesehen. An Stelle von automatischen Luftstoßsicherungen kamen handbetätigte Schnellschlussklappen an den Lüftern zum Einsatz.[16] Die vereinfachte technische Ausstattung sorgte für hohe Kosteneinsparungen im Vergleich zu den komplexen Maßnahmen, die im Rahmen des Instandsetzungsprogrammes umgesetzt wurden.

In den 1990er Jahren wurden die Schutzbauprogramme des Bundes eingestellt. Grund dafür war die weltweite politische Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges. Die Bauprogramme liefen dann bis Ende der 1990er Jahre vollständig aus. Die Anlagen wurden aus der Zivilschutzbindung entlassen und allmählich zurückgebaut.[17]

[1] Kontrollratsgesetz Nr. 23 / http://www.verfassungen.de/de/de45-49/kr-gesetz23.htm
[2] Die Entwicklung der zivilen Verteidigung in der Bundesrepublik / Ministerialrat Dr. Dr. Eichstädt / Zivilschutz Heft 10 / Oktober 1965
[3] Aufbau des zivilen Luftschutzes / Minsterialrat Erich Hampe / Ziviler Luftschutz Nr.1 / November 1952
[4] Alte Bunker – neuer Schutz / Aus dem Schutzbauprogramm der Bundesregierung / Bevölkerungsschutz 1968 / Heft 12
[5] Bunkerwelten / Luftschutzanlagen in Norddeutschland / Michael Foedrowitz
[6] Nutzbarmachen und Instandsetzen / Alter Beton und neue Technik / Regierungsdirektor Dipl.-Ing. Otto Schaible / Bevölkerungsschutz 1974 / Heft 08
[7] Nutzbarmachen und Instandsetzen / Alter Beton und neue Technik / Regierungsdirektor Dipl.-Ing. Otto Schaible / Bevölkerungsschutz 1974 / Heft 08
[8] Alte Bunker – neuer Schutz / Aus dem Schutzbauprogramm der Bundesregierung / Bevölkerungsschutz 1968 / Heft 12
[9] Schutzbauten – Entwicklung bis 2007 / Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
[10] Nutzbarmachen und Instandsetzen / Alter Beton und neue Technik / Regierungsdirektor Dipl.-Ing. Otto Schaible / Bevölkerungsschutz 1974 / Heft 08
[11] Schriftliche Anfrage an das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) / Referat II.6 / Information der Bevölkerung vom 14.06.2013
[12] Recherchearbeit vor Ort / Vorbei e.V.
[13] Alte Bunker – neuer Schutz / Aus dem Schutzbauprogramm der Bundesregierung / Bevölkerungsschutz 1968 / Heft 12
[14] Neue Initiativen im Schutzraumbau / Dr. Reiner von Kempis / Zivilverteidigung Heft II 1978
[15] Schutzbauten – Entwicklungen bis 2007 / Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe / www.bbk.bund.de
[16] Nutzbarmachung von Bunkern / Planungs- und Ausführungsdetails / Otto Schaible / Zivilverteidigung Heft II 1981
[17] Schutzbauten – Entwicklungen bis 2007 / Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe / www.bbk.bund.de

 

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